Die reformatorische Bewegung im Kurfürstentum Brandenburg orientierte sich ganz überwiegend an Martin Luther und der Wittenberger Reformation. Da und dort gingen einzelne aber auch andere Wege, so etwa im jenseits der Oder ganz im Südosten Kurbrandenburgs gelegenen Sommerfeld. Hier begann 1524 ein aus Cottbus stammender Mönch namens Michael Reutter reformatorisch zu predigen.
Sommerfeld gehörte zur Diözese Meißen und der dortige Bischof wandte sich sogleich hilfesuchend an den brandenburgischen Kurfürsten. Der Bischof übersandte eine detaillierte Liste mit Vorwürfen gegen Reutter. Der reformatorische Prediger soll schon in seiner Kleidung gezeigt haben, dass eine neue Zeit angebrochen war: Seinen geistlichen Habit habe er abgelegt, stattdessen trage er nun modische weltliche Kleider: ein rotes Barett, eine rote Hose und elegante Schuhe. Er predige von der Kanzel der Sommerfelder Kirche den Menschen, dass die Kirche eigentlich überflüssig sei, weil Gottes Wort überall offenbart werde; dass Christen keine Heiligenverehrung, keine Sonn- und Feiertage und keine Fastenzeiten benötigten; dass die Taufe mit der Eintauchung des ganzen Körpers praktiziert und das Abendmahl als Gedächntnismahl mit Brot und Wein gefeiert werden müsse; oder dass die üblichen Abgaben an die Kirche problematisch seien. Der Bischof berichtete dem Kurfürsten, dass Reutter mit den papstkirchlichen Klerikern abrechne, denen er unverhohlen Gewalt androhe. Seine Wohnung habe er in einem kirchlichen Haus, wo er mit einer verheirateten Frau in wilder Ehe zusammenlebe. Die Sommerfelder Gemeinde habe begonnen, liturgische Geräte und Kleider aus den Kirchen zu entfernen und überflüssige kirchliche Räumlichkeiten für profane Zwecke zu nutzen. So werde in einer Kapelle Fleisch verkauft.
Was von diesen Vorwürfen stimmt, lässt sich nicht genauer sagen. Auch wenn nicht jeder Anklagepunkt stimmt, handelt es sich bei Reutters Predigt um eine ziemlich radikale Ausprägung der Kirchenkritik. Andere Quellen zeigen, dass Reutter von der Bevölkerung und der städtischen Obrigkeit unterstützt wurde und dass die altgläubigen Kleriker sich nicht anders zu helfen wußten, als beim Bischof und beim Kurfürsten um Hilfe nachzusuchen. Das half: Nach 1525 verliert sich jede Spur Reutters in den Quellen, und in Sommerfeld wurden die vorigen kirchlichen Verhältnisse wiederhergestellt.
Doch reformatorische Prediger wie Reutter, die eine ganz eigene Reformagenda verfolgten und die man der ,radikalen Reformationʻ zurechnet, gab es weiterhin und sie boten eine wichtige Alternative zum an Luther und Wittenberg orientierten Hauptstrom der Reformation.