Die Wiederzulassung der Juden in Brandenburg (1539)

Die Wiederzulassung der Juden in Brandenburg (1539)

Szene aus dem Berliner Judenprozess von 1510 (Quelle: https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=4553644)

Das Verhältnis der Christen zu den Juden im spätmittelalterlichen Europa war angespannt. Die judenfeindliche Grundhaltung der Christen hatte in immer mehr Ländern zur Folge, dass die jüdische Bevölkerung vertrieben wurde. In Brandenburg war es 1510 zu einem aufsehenerregenden Prozess gekommen, der in die Vertreibung der Juden gemündet hatte: Juden wurden der Schändung einer konsekrierten Hostie verdächtigt, 39 wurden verurteilt und auf der Hinrichtungsstätte vor dem nördlichen Stadttor verbrannt. Während des Frankfurter Fürstentags 1539 erfuhr Kurfürst Joachim von Josel von Rosheim – dem Sprecher der deutschen Juden – und von Philipp Melanchthon, dass der Berliner Judenprozess 1510 ein Justizmord gewesen war: Der Hostiendieb, ein Christ, hatte seinerzeit in der Beichte seine Denunziation der Juden zurückgenommen. Der Kurfürst konnte geschehenes Unrecht nicht ungeschehen machen, aber er revidierte die Vertreibungsverfügung seines Vaters: In Zukunft duften Juden wieder in der Mark Brandenburg handeln und siedeln.

Joachim II. dachte dabei einerseits an seinen persönlichen Vorteil. Er brauchte jüdische Finanziers wie seinen Hofjuden Michael und den Münzmeister Lippold, und er spekulierte auf die zusätzlichen Einnahmen aus Abgaben. Andererseits schien er aber auch etwas wiedergutmachen wollen. Möglich war ihm diese Großzügigkeit gegenüber den Juden, die ganz gegen den Trend war, weil die frühe Reformation das Verhältnis von Christen und Juden ganz neu bestimmt hatte. Luther hatte 1523 in seiner Schrift ,Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei‘ zwar nicht den religiösen Gegensatz zwischen Judentum und Christentum relativiert, wohl aber eine friedliche Koexistenz im weltlichen Bereich für möglich erklärt. Das war eine revolutionäre Idee, die Luther und die reformatorischen Kirchen bald nicht mehr verfolgten, die sich aber aus den Grundideen der Reformation ergab und die damit immer virulent blieb. Die der Reformation eigene klare Unterscheidung von Kirche und Welt, von Religion und Politik, eröffnete die Möglichkeit, abgesehen von religiösen Wahrheitsfragen mit Andersgläubigen in einer Stadt und einem Land zusammenzuleben.

Die Entscheidung Joachims II. 1539 wurde kritisiert, fand aber auch Unterstützer. Bis zum Tod des Kurfürsten 1571 konnten aber Juden in der Mark siedeln, auch wenn sie weiterhin unter Diskriminierung leiden und immer mit Verfolgung rechnen mussten. So kam es unter dem Einfluss von Luthers judenfeindlichen Schriften während der 1540er Jahre zu neuen Zwangsmaßnahmen gegen Juden. Der neue Kurfürst machte dieser Duldung 1571 dann aber ein Ende und für hundert Jahre blieb die Mark Juden verschlossen.

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