Bildersturm und Aufruhr in der Residenzstadt (1615)

Bildersturm und Aufruhr in der Residenzstadt (1615)

Ansicht des Berliner Doms in seiner äußeren Gestalt im 18. Jahrhundert von Johann David Schleuen (Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8857915)

Es gelang dem brandenburgischen Kurfürsten Johann Sigismund nicht, nach seinem Übertritt zum Calvinismus 1613 die ,zweite Reformation‘ in der ganzen Kirche durchzusetzen. Umso mehr war er darauf bedacht sein persönliches Bekenntnis zu zeigen. Unter anderem gestaltete er seine Hofkirche, die direkt neben dem Schloss gelegene Domkirche, demonstrativ zu einer calvinistischen Kirche um und machte sie zur Pfarrkirche der kleinen reformierten Gemeinde der Residenzstadt. Im April 1615 liess er – wie es in einem zeitgenössischen Bericht heißt – „das große holzerne crucifix [die Triumphkreuzgruppe], so in dom vorm chor auf das eiserne gitter [die Chorschranke] ist geheftet gewesen, abbrechen, zerschlagen und stuckweiß in die Sprew werfen“. Alle Altäre und Bilder der Stiftskirche wurden gewaltsam entfernt, so daß viele „leute, die solches umbwerfen, abbrechen und niederschlagen mit angesehen, trehnen vergossen“. Der einstmals prachtvolle ausgeschmückte, mit Altären und Bildern reich versehene Kirchenraum wurde zu einem schmucklosen, weiß gestrichenen und ganz auf die Bedürfnisse des reformierten Wortgottesdiensts eingerichteten Zweckbau umfunktioniert.

Für die Bevölkerung in Berlin und Cölln war das eine Provokation: Man befürchtete, dass der Bildersturm im Dom nur Auftakt zu weiteren Veränderungen war, die nun auch die lutherischen Gemeindekirchen betreffen würden. Dass die den Kirchenraum beherrschende Triumphkreuzgruppe zerschlagen und die Spree geworfen worden war, wurde als gezielte Pietätlosigkeit empfunden. Die aus Schwäche geborene Aggressivität der Bilderstürmer rief bei der Bevölkerung eine von Verletztheit und Besorgtheit motivierte gewaltsame Gegenreaktion hervor: Bürger stürmten die Häuser der reformierten Prediger und rotteten sich gegen den kurfürstlichen Statthalter zusammen, der den Aufruhr beenden wollte. Einen Moment lang erschien es, als würde der religiöse Zwist zu einem Blutbad mitten in der Stadt führen. Glücklicherweise beruhigten sich beide Seiten und die öffentliche Ordnung konnte wiederhergestellt werden. Es blieben jedoch Verletzungen und Verdächtigungen: Beide Seiten fühlten sich bedroht – die lutherische Bevölkerung durch die gewaltsame ,zweite Reformation‘ von oben und das calvinistische Herrscherhaus durch zivilen Ungehorsam und gewaltsamen Aufruhr von unten.

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