Die Visitatoren in der Stadt: Berlin-Cölln (Sommer 1540)

Die Visitatoren in der Stadt: Berlin-Cölln (Sommer 1540)

St. Nikolai, Berlin
(Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16098208)

Zwischen September 1539 und Juli 1540 war in drei Schritten die Reformation im Kurfürstentum Brandenburg eingeführt worden: evangelische Predigt – evangelisches Abendmahl – reformatorische Kirchenordnung. Einführung der Reformation hieß aber längst nicht, dass die Reformation überall angekommen war und umgesetzt wurde. Vielmehr war die Kirchenerneuerung vor Ort und die Einwurzelung evangelischen Glaubens und Lebens ein Prozess von Jahren und Jahrzehnten. Ein wichtiges Mittel, die Reformation in der Breite des Landes durchzusetzen, waren die Visitationen. Kurfürst Joachim II. beauftragte eine Gruppe von Beamten und Geistlichen damit, das Kurfürstentum zu bereisen, die kirchlichen Verhältnisse vor Ort zu protokollieren und die nötigen Veränderungen anzuordnen: evangelische Pfarrer einzusetzen, die Kirchenfinanzen zu ordnen, Klöster zu schließen und anderes mehr. Die Akten der Visitationen sind überliefert und zeichnen ein buntes Bild der kirchlichen Wirklichkeit damals.

Die erste Visitation begann im Sommer 1540 in der Doppelstadt Berlin-Cölln. Die Kirchenordnung war mittlerweile gedruckt worden und konnte bei der Visitation als in Zukunft verbindliche Norm an die Gemeinden weitergegeben werden. So geschah es auch in Berlin-Cölln. Alle Fragen, die in der Kirchenordnung nicht geregelt waren, wurden vor Ort geklärt und in einem „Visitationsabschied“ festgehalten: etwa die Verpflichtungen der Geistlichen, die Neuordnung der Hospitäler oder der Umgang mit den Bettlern. Was den letzten Punkt angeht gibt der Berliner Visitationsabschied von 1540 einen Einblick in das Alltagsleben: In der Stadt gab es viele Bettler, die nicht unbedingt Hilfe zu brauchen schienen. Die Visitatoren befahlen, dass alle Bettler überprüft werden müssten: Wer tatsächlich nicht für seinen Unterhalt selbst sorgen konnte, bekam ein Zeichen, das am Hut oder Schleier zu tragen war, und nur mit diesem Zeichen durfte man auf den Straßen der Stadt betteln. Für einheimische Arme gab es weitere Unterstützungsmöglichkeiten, etwa die Hospitäler oder den Gemeinen Kasten, die in Notlagen aushalfen. Im Ganzen konnte die Armenfürsorge jedoch die Not nur wenig lindern. Es sollte noch Jahrhunderte dauern, bis –durch die christlichen Kirchen entscheidend befördert – der moderne Sozialstaat Abhilfe schaffte.

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