Kirchliche Neuerungen an der Basis ‒ Das Beispiel Spandau

Kirchliche Neuerungen an der Basis ‒ Das Beispiel Spandau

Stadtansicht Spandau, Mitte 17. Jahrhundert (Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=34814015)

Schon bevor 1539 die Reformation in Brandenburg eingeführt wurde, gab es vereinzelte Neuerungen. Vor allem in der Altmark und in der Lausitz, aber auch in manchen größeren Städten sind reformatorische Regungen belegt. Als ein Beispiel kann die Stadt Spandau dienen. In den Kirchenrechnungen der Spandauer Pfarrkirche St. Nikolai sind von den 1520er Jahren an immer wieder Ausgaben „vor [für] wyn vor de communicanten“ belegt. Möglicherweise meint dieser Ausgabenposten, dass die Kirchengemeinde Wein für evangelische Abendmahlsfeiern kaufte – und das lange vor der offiziellen Einführung der Abendmahlsfeier mit Brot und Wein. Dieses evangelische Abendmahl wurde wohl nicht von der ganzen Gemeinde gefeiert, was auch auf den Widerstand der Anhänger der Papstkirche und des Kurfürsten gestoßen wäre, sondern nur von einer kleinen Gruppe Spandauer Bürger. Diese Bürger sorgten möglicherweise auch dafür, dass ein Prädikant seit 1532 evangelisch predigte.

Das „wohl“ und „möglicherweise“ in den vorangehenden Sätzen hat seinen Grund: Die Quellenbasis für diese Behauptungen ist schmal und die Quellen sind mehrdeutig. Das gilt auch für vergleichbare Nachrichten aus anderen Regionen und Städten der Mark. Was die Zeit bis etwa 1535 angeht, muss man solchen Nachrichten gegenüber kritische Distanz wahren. Besser belegt ist die Zuwendung der Spandauer zur Reformation seit 1535. In diesem Jahr war nämlich der Wittenberger Reformator Philipp Melanchthon in Spandau zu Gast und unterstützte die Stadt bei der Reform des Gymnasiums im Geiste der Reformation. Die Stadt dankte Melanchthon: Er erhielt ein großzügiges Geldgeschenk von 10 Joachimstalern und in der Folgezeit immer wieder Naturalien. Durch reformatorische Sympathien motiviert war auch ein kirchenkritisches Narrenspiel, das einige Ackerknechte an Weihnachten 1536 in St. Nikolai aufführten und das diesen eine harte Bestrafung eintrug. Das Bedürfnis der Stadtgemeinde nach evangelischer Predigt war mittlerweile gewachsen, so dass relativ kurz hintereinander 1537/38 zwei evangelische Prediger berufen wurden: Heinrich Machelt und Johann Kaulitz. 1539 wurde die Stadt dann zum Ort des ersten offiziellen evangelischen Abendmahls, wohl nicht zuletzt wegen der mittlerweile bekannten Sympathien für die Reformation.

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