Juden

Im 15. Jahrhundert siedelten einige hundert Juden in der Mark Brandenburg. Sie unterlagen den zeitüblichen Restriktionen und Abgabepflichten und waren mit der christlichen Judenfeindschaft konfrontiert, die in vielen anderen Regionen Europas schon zur Vertreibung der Juden geführt hatte. Diese Judenfeindschaft entlud sich 1510 in einem Hostienschändungs- und Ritualmordprozeß in Berlin, der zur Hinrichtung von 41 Juden und zur Vertreibung aller übrigen märkischen Juden führte.

Als Kurfürst Joachim II. 1539 erfuhr, daß es bei diesem Prozeß zu Unregelmäßigkeiten gekommen und die Vertreibung unrechtmäßig gewesen war, erlaubte er Juden wieder den Handel und 1542 auch wieder die Ansiedlung im Kurfürstentum Brandenburg. Wie üblich unterlagen sie Restriktionen (Meldepflicht, Beschränkung auf bestimmte Stadtviertel) und mußten hohe Abgaben zahlen. Die Juden durften aber Synagogen bauen und Rabbiner anstellen. 1564 verbriefte der Kurfürst die Privilegien der märkischen Juden in einer Urkunde, in der die Nutznießer namentlich aufgeführt wurden, was einen Einblick in die Verteilung und die Zahlenstärke der jüdischen Gemeinschaft im Kurfürstentum ermöglicht (Landesarchiv Berlin Bestand F, Rep. 238–01, Urkundenausfertigungen, Nr. 1564/1; Abdruck: Jahrbuch der Jüdisch-Literarischen Gesellschaft 7, 1909, 80–82).

Die Wiederzulassung von Juden im Kurfürstentum Brandenburg geschah gegen den Trend der Zeit, der auch im Einflußbereich der Wittenberger Reformation die Vertreibung der Juden forderte und umsetzte. Das Motiv des brandenburgischen Kurfürsten, das ihn an der Wiederzulassung der Juden gegen alle Kritik von Seiten der märkischen Theologen und Stände festhalten ließ, war der finanzielle Nutzen, den ihm die märkischen Juden brachten. Zwei Juden – der Jude Michael und Münzmeister Lippold – genossen sein besonderes Vertrauen. Nach dem Regierungswechsel 1571 vertrieb der neue Kurfürst Johann Georg die märkischen Juden erneut. Erst hundert Jahre später siedelten wieder Juden in der Mark und begründeten die im 18. und 19. Jahrhundert aufblühenden jüdischen Gemeinden in Berlin und Brandenburg.

Andreas Stegmann

Weiterführende Literatur:

Aufgebauer, Peter: Zwischen Schutz und Verfolgung. Zur Judenpolitik der Brandenburger Bischöfe im 15. und frühen 16. Jahrhundert (in: Mitteldeutsche Bistümer im Spätmittelalter, hg. v. Roderich Schmidt, Lüneburg 1988, 95–114)

Escher, Felix: Die Juden in Brandenburg zur Zeit der Reformation. Einblattdruck mit der Hinrichtung des Münzmeisters Lippold (in: Reformation und Freiheit. Luther und die Folgen für Brandenburg und Preußen, Katalog zur Ausstellung des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, hg. v. Ruth Slenczka, Potsdam u. Petersberg 2017, 271–274)

Heise, Werner: Die Juden in der Mark Brandenburg bis zum Jahre 1571, Berlin 1932

Kurze, Dietrich: Der Berliner Prozeß und die Vertreibung der Juden aus der Mark Brandenburg im Jahr 1510 (Der Bär von Berlin. Jahrbuch des Vereins für die Geschichte Berlins 59, 2010, 25–53)

Lestschinsky, Jakob; Meisl, Josef: Art. Berlin (Encyclopaedia Judaica. Das Judentum in Geschichte und Gegenwart, Bd. 4, Berlin 1929, 216–257)

Stegmann, Andreas: „Ein gesprech auff das kurtzt zwusche[n] / eynem Christen vn[d] Juden, auch eynem Wyrthe samps / seynem Haußknecht, den Eckstein Christum / betreffend […]“. Erfurt, 1524 (in: Bürger, Pfarrer, Professoren. St. Marien in Frankfurt (Oder) und die Reformation in Brandenburg, hg. v. Maria Deiters u. Gotthardt Kemmether, Dresden 2017, 214f.)

Wolbe, Eugen: Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg, Berlin 1937

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