Die Neumark war im 16. Jahrhundert die östliche Grenzregion des Kurfürstentums Brandenburg, die sich von der Oder nach Nordosten zog und bis nach Schivelbein reichte. Verwaltungstechnisch zählten zeitweise auch westlich und südlich benachbarte Regionen zur Neumark, die historisch zur Lausitz, zur Mittelmark oder zu Schlesien gehören und darum im Folgenden außer Betracht bleiben. Wichtige Städte der Neumark waren Arnswalde, Dramburg, Friedeberg (Neumark), Königsberg (Neumark), Küstrin, Landsberg (Warthe), Schivelbein und Soldin.
Die Reformation breitete sich bis 1535 bereits untergründig in der Neumark aus. Allerdings lassen es die spärlichen Quellen über die 1520er und 1530er Jahre nicht zu, die Verbreitungswege reformatorischer Ideen und die Veränderungen der Frömmigkeitspraxis genauer zu benennen und die Breite und Tiefe der reformatorischen Bewegung dort zu ermessen. Wahrscheinlich drang die reformatorische Verkündigung nicht nur von Süden und Westen, sondern auch von Norden, vermittelt durch die engen Beziehungen zu Pommern und den Hansestädten an der Ostseeküste in die Neumark. Vereinzelt sind Nachrichten über das Auftreten reformatorischer Prediger in neumärkischen Städten überliefert, deren Quellenwert allerdings unsicher ist.
1535 wurde nach dem Tod des reformationsfeindlichen Kurfürsten Joachim I. dessen jüngerer Sohn Markgraf Johann von Brandenburg Herrscher der verselbständigten Neumark. Markgraf Johann (auch „Hans von Küstrin“ genannt) hatte wahrscheinlich schon während der 1520er Jahre Sympathien für die Reformation entwickelt und führte in der zweiten Hälfte der 1530er Jahre schrittweise die Reformation in der Neumark ein. Politisch abgesichert wurde die Abkehr von der Papstkirche 1537/38 durch Johanns Beitritt zum Schmalkaldischen Bund, dem Verteidigungsbündnis der deutschen Protestanten. Wie die Einführung der Reformation konkret verlief, ist aufgrund der schlechten Quellenlage nicht im einzelnen erkennbar. Jedenfalls konnten die neumärkischen Städte seit 1536 evangelische Prediger berufen und der Markgraf unterstützte sie dabei. Seit 1537 verbreitete sich auch die evangelische Abendmahlsfeier in den Gemeinden. 1538/39 ließ Johann in der Neumark die Einführung der Reformation verkünden und begann mit einer Visitation, die die kirchlichen Verhältnisse vor Ort aufnahm und im Sinne der Reformation veränderte. Ob Johann die Einführung der Reformation mit einem demonstrativen Akt wie einer evangelischen Abendmahlsfeier verband, ist in den Quellen nicht belegt.
1540 wurde eine Kastenordnung veröffentlicht, die das kirchliche Finanzwesen reorganisierte. Eine eigene Kirchenordnung für die Neumark, die darüber hinaus noch Verkündigung, Gottesdienst und kirchliches Leben normierte, gab es nicht. Wahrscheinlich orientierte man sich an der Brandenburgisch-Nürnbergischen Kirchenordnung von 1533 oder der Kurbrandenburgischen Kirchenordnung von 1540. Organisatorisch folgte die entstehende reformatorische Landeskirche dem Wittenberger Modell: An der Spitze stand der Landesherr, der als herausgehobenes Mitglied der christlichen Gemeinde die Ordnung der Kirche bestimmte; die kirchliche Selbstverwaltung lag auf der mittleren Ebene in den Händen der Superintendenten und Visitatoren und auf der unteren Ebene in den Händen von Pfarrern, Patronen und Vertretern der Kirchengemeinden. Ein Konsistorium gab es in der Neumark nicht; dessen Aufgaben wurden vom Küstriner Superintendenten in Zusammenarbeit mit den weltlichen Räten des Markgrafen wahrgenommen.
Bei der neumärkischen Bevölkerung stieß die Einführung der Reformation ganz überwiegend auf Zustimmung. Fortdauernde Anhänglichkeit an die Papstkirche gab es nur vereinzelt. Ein Zeichen der von Markgraf und Bevölkerung gemeinsam getragenen religiösen Erneuerung die Beendigung der Marienwallfahrt nach Göritz: Auf Initiative des Markgrafen hin stürmten Bürger und Bauern die Kirche mit dem verehrten Marienbild, das durch den Landeshauptmann von Sternberg konfisziert wurde. Widerstand gab es jedoch von Seiten der Bischöfe von Lebus, Kammin und Posen und der neumärkischen Klöster. Doch deren Versuche, ihren Bestand zu sichern und die Reformation zu behindern, wurden von Markgraf Johann mit Gewalt und Geschick blockiert. Das diözesanbischöfliche Aufsichtsrecht über die neumärkische Kirche wurde ignoriert und die Klöster und das Soldiner Domstift wurden säkularisiert. Eine geistliche Gemeinschaft blieb jedoch bestehen: der Johanniterorden. Die Komture und Mitglieder des Johanniterordens wandten sich mehrheitlich der Reformation zu und wählten auf Betreiben des Markgrafen einen reformationsfreundlichen Herrenmeister. Die Ballei kam unter markgräfliche Kontrolle, blieb aber als evangelische Ordensgemeinschaft bestehen.
In der Reichspolitik steuerte Markgraf Johann einen gegenüber seinem Bruder Joachim selbständigen Kurs. Anders als dieser schloß er sich dem Schmalkaldischen Bund an, aus dem er allerdings wegen politischer Differenzen wieder austrat, und verweigerte sich 1548 dem kaiserlichen Religionsgesetz (Augsburger Interim), nachdem er zuvor noch auf der Seite des Kaisers gegen den Schmalkaldischen Bund gekämpft hatte.
Nach dem Tod von Markgraf Johann 1571 wurde die Neumark wieder mit der Kurmark vereinigt. Die neumärkische Landeskirche wurde ohne Schwierigkeiten in die kurmärkische integriert und verwuchs mit ihr. Ob die Reformation in der Neumark ein besonderes Profil hatte und ob die neumärkische Kirche ein besonderes Erbe in die märkische lutherische Landeskirche einbrachte, lässt sich mangels historischer Forschung zur neumärkischen Kirchengeschichte kaum sagen.
Andreas Stegmann
Weiterführende Literatur:
Gahlbeck, Christian: Die Reformation in der Neumark unter ihrem Herrscher, Markgraf Hans von Küstrin (1535–1571) (in: Reformation in Brandenburg. Verlauf, Akteure, Deutungen, hg. v. Frank Göse, Berlin 2017, 201–264)
Kletke, Karl: Regesta Historiae Neomarchicae. Die Urkunden zur Geschichte der Neumark und des Landes Sternberg, in Auszügen mitgeteilt, Abteilung 3: Markgraf Johann (Hans) von Cüstrin. 1513–1571, Berlin 1876 (Märkische Forschungen 13, 1876, 1–507)
Mollwo, Ludwig: Markgraf Hans von Küstrin, Hildesheim u. Leipzig 1926
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