Stendal

Frühneuzeitliche Stadtansicht von Stendal (Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1319706)

Stendal war um 1500 die bedeutendste Stadt der Altmark und gehörte zu den wirtschaftlich blühendsten und kirchlich wichtigsten Städten des Kurfürstentums Brandenburg. In der Stadt bestanden im späten Mittelalter neben den prächtigen Pfarrkirchen mehrere Klöster für Männer und Frauen sowie eine Stiftsherrengemeinschaft. Die Reformation drang während der 1520er Jahre vom nicht weit entfernten Wittenberg in die Altmark vor und fasste auch in Stendal Fuß. Die steigenden Zahlen altmärkischer Studenten in Wittenberg, die Verbreitung reformatorischer Schriften in der Altmark oder die Abwendung von der traditionellen Frömmigkeit sind Indizien für diesen untergründigen Wandel der Einstellung in der Bevölkerung.

Im Jahr 1530 verdichteten sich die reformatorischen Sympathien der Bevölkerung zu Aktionen zivilen Ungehorsams, die in Gewalt umschlugen. Der „Stendaler Aufruhr“ begann im Juli 1530 damit, dass der Franziskanermönch Lorenz Kuchenbäcker im Sinne der Reformation predigte und seine Zuhörer zum Singen reformatorischer Lieder aufforderte. Die weltlichen und kirchlichen Obrigkeiten schritten dagegen zwar ein, Kuchenbäcker und seine Anhänger fügten sich aber nicht. Als Mitte August 1530 Abgesandte des Kurfürsten eingriffen, sahen sich die Reformationssympathisanten in der Stadt bedroht, drohten mit dem gewaltsamen Sturm auf das Rathaus und verwüsteten Häuser von Klerikern. Die Stadtregierung konnte die Lage zwar wieder befrieden, der reformationsfeindliche Kurfürst Joachim I. bestrafte den Aufruhr aber hart und nahm die ganze Stadt in Mithaftung.

Erst in der zweiten Hälfte der 1530er Jahre machte die Reformation wieder Fortschritte in Stendal, ohne dass sich aus den spärlichen Quellen ein klares Bild ergibt. Für einige Zeit scheint es in der städtischen Führungsschicht noch Sympathien für die Papstkirche gegeben zu haben. Wohl erst mit der offiziellen Einführung der Reformation im Kurfürstentum Brandenburg 1539/40 wurde das kirchliche Leben der Stadt umfassend neugestaltet. In den Pfarrkirchen, zu denen nun auch die Stiftskirche St. Nikolaus zählte, wo der evangelische Superintendent amtierte, wurde reformatorisch gepredigt und der Gottesdienst nach Maßgabe der Wittenberger Reformation umgestaltet. Die beiden Nonnenklöster wurden in evangelische Damenstifte umgewandelt. Im Franziskanerkloster wurde das nach Melanchthons humanistischem Bildungsprogramm reorganisierte Gymnasium untergebracht. Der führende evangelische Geistliche war der 1540 auf Empfehlung der Wittenberger Theologen berufene Superintendent Conrad Cordatus. Die Akten der Visitationskommission, die Ende 1540 die kirchlichen Verhältnisse vor Ort neu ordnete zeigen den Reichtum des kirchlichen Lebens, der in der Folgezeit im Gefolge der Wittenberger Reformation fortgeführt und umgestaltet wurde.

Andreas Stegmann

Weiterführende Literatur:

Creutzburg, Reinhard: Martin Luthers Lieder und Justus Jonas‘ Predigt als Anstöße zur Reformation in Stendal (JBBKG 70, 2015, 30–50)

Götze, Ludwig: Urkundliche Geschichte der Stadt Stendal, Stendal 1929, 352–371

Popp, Christian: Das Stift St. Nikolaus in Stendal, Berlin u. New York 2007 (GermSac NF Bd. 49)

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